Ich bin über’n Berg

Ich bin über’n Berg

23. Mai 2022 1 Von gerhardjenders

Montag, 23. Mai
Der Seniorchef des Campingplatzes hat mir beim Frühstück empfohlen, den ganzen Weg zum Brenner die alte Passtraße zu nehmen. Aber zunächst musste ich mal nach Innsbruck. Der Weg ist bequem und gut ausgeschildert, aber man hat doch den Eindruck, durch ein großes Gewerbegebiet zu fahren, parallel zur Autobahn und zur Bahnstrecke. Ein Foto ohne irgendwelche Bauwerke war kaum möglich.

Der Inn – mit Brücke und Verkehr

Das erinnert mich an das Rhonetal in der Schweiz. So ist das nun mal – die Welt wäre schöner ohne uns. Aber andererseits: Wer sollte sich dann an der Schönheit erfreuen?
In Innsbruck sah das dann besser aus. Auch Häuser, aber wenigstens keine Lagerhallen.

Auf einen Stadtbummel hab ich verzichtet, denn ich wollte ja über den Berg. Gestartet bin ich gegen 12 Uhr im Tal. Schon bald konnte ich die Stadt unter mir liegen sehen.

Schon oberhalb der Stadt

Die Strecke zog sich und ich hab mir Zeit gelassen. Dumm ist allerdings, dass zeitweilig zur Steigung noch ein fröhlicher Gegenwind kam.
In Matrei hab ich Käse und Almdudler gekauft, damt konnte ich um drei Uhr eine längere Rast mit Imbiss auf der Jungbürgerbank in Steinach machen – vor mir rauschte der Verkehr, hinter mir ein Wasserfall.

Der Verkehr ist hinter der Mauer

Ab da waren es noch zwölf Kilometer, gegen Ende wurde es nochmal richtig steil. Man kann eine Verschaufpause gut als Fototermin nutzen.

Fast oben – und ich kann nur einen kleinen Teil der Strecke sehen, die ich zurückgelegt hab

Aber ich war vor fünf Uhr oben, insgesamt 37 km Steigung. Der Pass ist wenig spektakulär, ich musste nach einem fotogenen Schild suchen. Kein anderer Radfahrer, keine Touristen, keine Aussicht – statt dessen ein albernes „Outlet-Center“. Ich hatte gehört, dass man im Harz am Brocken lange warten muss, wenn man ein Foto mit dem Gipfelstein machen möchte – hier war ich mit meinem Triumph allein.

Mein Fahrrad oben auf dem Brenner
Ein Selfie mit schweißverklebten Haaren als Beweis, dass ich wirklich selbst gefahren bin und nicht etwa den Zug genommen hatte

Zu meiner Begrüßung in Italien wurde ein Gewitter gegeben, da musste ich mich eine Weile unterstellen. Dann ging es runter ist Tal, auf einem sehr guten Bahntrassen-Weg. Der Regen kam aber wieder und brachte Gewittergrummeln mit, so hab ich die erste Gelegenheit in der Zivilisation genutzt und im Alpenhof in Gossensass ein Zimmer genommen.

Gossensass – im Hintergrund die Autobahn voller Lastwagen
Wolken und Regen

Das Besondere an diesem Dorf: Vor mir war schon Henrik Ibsen hier – sogar mehrfach. Darauf sind die Leute hier zu Recht stolz.

Ibsen-Gedenktafel am „Sporthotel“

Auch wenn der Brenner nicht besonders hoch ist: Die Überquerung zählt als Überquerung des Alpenhauptkamms. Das hab ich heute geschafft! Mal sehen, was mich morgen erwartet.