In die Ebene hinunter
Freitag, 27. Mai
Der heutige Tag hat sehr viele verschiedene Eindrücke gebracht und – Spoiler – ich bin endlich mal wieder über die 100 km pro Tag gekommen.
Aber von vorne:
In Pieve di Cadore hab ich noch ein Frühstück im Hotel bekommen. Und was noch besser war: Kurz vor dem Einstieg in den Radweg gab es einen kleinen Laden, in dem ich mich mit Brötchen und Käse für unterwegs eindecken konnte. Die Verkäuferin hatte mich vorfahren sehen und musste anschließend unbedingt mein Fahrrad ansehen und mich mit guten Wünschen für die Fahrt bedenken. (Hat geholfen!)
Die Tagesetappe begann mit einer rasanten Abfahrt über eine gut ausgebaute, aber fast leere Straße mit fantastischem Ausblick runter nach Parardo di Cadore.
Unten steht eine Kirche aus dem 16. Jahrhundert, die wohl eine Baustelle ist.
Weiter ging es nach Ospitale di Cadore, wo mehrere Brücken über ein Seitental führen.
Die Berge zu beiden Seiten werden niedriger, sind aber immernoch das eine oder andere Foto wert.
Zwischendurch kam ich durch Longorona. Dort hat sich 1963 eine Katastrophe ereignet, als der Damm eines illegal angelegten Stausees brach und die Flutwelle Tausende Menschen umbrachte.
Der Radweg führte weiter am Piave entlang, ein Anstieg wurde mit einer guten Aussicht über das Tal belohnt.
Danach wurde es leider kompliziert, denn der Radweg war gesperrt.
Die alternative Route war nicht leicht zu finden, ich hab mich zeitweise an eine Gruppe des Sportbundes angehängt. Die hatten einen professionellen Guide, der musste den Weg kennen. Mit denen bin ich bis zum Lago di Santa Croce gefahren, wo ich eigentlich schon rasten wollte.
Aber es gab keinen gemütlichen Platz dort, also weiter. Dummerweise bergauf.
Doch dann sah ich auf der Karte, dass ich kurz vor einem „Selle“ (also Sattel) war. Danach ging es flott bergab, in Nove konnte ich die Tische einer noch geschlossenen Bar für meine Mittagsrast nutzen.
Der Piave bildet noch weitere Seen, am Lago di Restallo steht ein alter Turm.
Vittorio Veneto war dann wieder eine richtige Stadt am Weg, es ging – wie in Bern – durch den Uhrturm.
Nach dem Stadtkern führt der Radweg am Flüsschen Meschio entlang. Das Wasser wurde offensichtlich lange Zeit für verschiedene Industrie-Betriebe genutzt, die jetzt wunderschöne „Lost Places“ bilden.
Aber die Gegend ist nicht verkommen, vieles wird neu genutzt, Parks laden ein zum Sport.
Über die Höhen ging es weiter mit einem schönen Blick auf die Ebene.
Die Kilometer summierten sich, meine Kräfte wurden aufgezehrt, deshalb hab ich für die letzten Stücke die Hauptstraße genommen. (Auf der Höhenstraße hätte ich vor allem Heldengedenkstätten gehabt, die zur Zeit des Faschismus für die Toten aus dem ersten Weltkrieg errichtet wurden – kann ich gut drauf verzichten.)
Nun haben die Menschen in Italien aber auch am Freitagabend Feierabend und wollen nach Hause, entsprechend voll war die Straße.
Bei Nervesa di Battaglia hab ich nochmal den Pieva überquert – das Flussbett ist wahnsinnig breit, bei Hochwasser muss das dramatisch aussehen.
Kurz vor dem Ziel gab es noch ein richtig gutes Eis,
dann war ich noch vor sieben Uhr (ich hatte meine Ankunft für „zwischen sieben und acht Uhr“ angekündigt) am Hotel „Albergo Grappolo d’Oro“ – Zeltplätze sind hier erstaunlich dünn gesät.
Und das Restaurant hat gutes Essen, es verwendet regionale Produkte – auch beim Bier!
Wie gesagt: Es war ein schöner, abwechslungsreicher Tag. Besonders aufgefallen sind mir heute die Düfte: Linden, Azaleen und Geißblatt.
Und tatsächlich stehen am Ende 119,83 km auf dem Tacho. War ein toller Tag!